Wicca: Hexen in der neuen Zeit
“Ich bin eine Wicca.” - Was löst das aus? Unwissen? Neugier? Zumindest ist der Begriff im Normalfall nicht mit negativen Klischees vorbelastet und ein Gespräch kann auf einer neutralen Basis beginnen. Doch dann kommt die Schwierigkeit: Denn allgemein wird Wicca auch als Religion der Hexen bezeichnet.
Dieser Begriff ist allerdings sehr vorbelastet und daher benutzen die meisten Hexen, vor allem im englischsprachigen Raum den Begriff Wicca.
Dieser Artikel beschäftigt sich mit der Geschichte der “Neuen Hexen”, ihren Glaubensvorstellungen und Ritualen. Wie viele Hexen gibt es tatsächlich, wie leben diese und unterscheiden sie sich von anderen Religionsanhängern?
Was ist Wicca?
Mittlerweile gibt es nach Schätzungen zwischen einigen hunderttausend bis zu einer Million Wicca weltweit, vor allem im englischsprachigen Raum. Es ist in Großbritannien eine der am schnellsten wachsenden neuen religiösen Bewegungen und in den USA mittlerweile als Religion anerkannt. Das bedeutet unter anderem, dass auch Häftlinge das Recht auf einen Wicca-Seelsorger haben und Wicca-Priester rechtsgültige Trauungen vornehmen können. Es gibt beim Wicca keine vergleichbare Institution der Mission, wie beim Christentum oder Islam. Es ist Wicca nicht wichtig, mehr und mehr Anhänger zu haben. Oftmals findet sich die Idee, dass jeder, der zu Wicca finden soll, dies auch zu seiner Zeit tun wird.
Unter Wicca fallen in der heutigen Zeit viele verschiedene Traditionen zusammen. Zu Beginn der Bewegung in den 50er Jahren des 20ten Jahrhunderts war Wicca in seinem Selbstverständnis eine Mysterientradition und unterlag (mehr oder weniger) strenger Geheimhaltung. Mittlerweile hat sich das Verständnis gewandelt und viele neue Interpretationsweisen sind dazugekommen. Heute ist Wicca ein vielschichtiges Phänomen, das die Anhänger am ehesten unter dem Begriff “moderne Naturreligion” vereint. Das Wort bezeichnet sowohl die Religion an sich als auch ihre Anhänger (männliche wie weibliche).
Wicca kann sowohl alleine als auch in Gruppen praktiziert werden. Gruppen nennen sich, sobald sie auf eine bestimme Art und Weise organisiert sind, Coven. Diese sind Arbeitsgruppen, die sich in regelmäßigen Abständen zum Feiern von Festen oder zum Durchführen von Ritualen treffen. Meistens wird die Organisation von Hohepriester- und priesterin übernommen, die auch Ritualleiter sind. Ob man als allein praktizierender Wicca auch ein vollwertiger Wicca ist, ist bis heute eine stark diskutierte Problematik. Die meisten Wicca, die nach den früheren Traditionen aufgebaut sind (Gardner, Sanders) schreiben eine Initiation in einen Coven zwingend vor, um sich als Wicca bezeichnen zu dürfen.
Im Laufe der Jahrzehnte ist dieser Anspruch aber verschwommen und mittlerweile gibt es auch Wicca, die sich ohne Initiation als Wicca bezeichnen, da sie die Glaubenssätze verfolgen und sich der Religion zugehörig fühlen.
Die Ethik der Wicca richtet sich nach der Wiccan Rede. Von Gardner inspiriert formulierte Doreen Valiente im Jahr 1964 die Wiccan Rede als einen moralischen Grundsatz:
(solange es keinem schadet, tu was du willst)
Der Grundsatz ist eine Weiterführung von Crowleys Do as thou wilt (das Gesetz von Thelema)
und wurde um den Teil “solange es keinem schadet” ergänzt. Generell ist dieser ethische Grundsatz keine philosophische Neuerung, sondern vielen Denkrichtungen als Goldene Regel bekannt.
Wichtige Elemente im Wicca sind unter anderem der Jahreskreis, der von vielen heidnischen Gruppen gefeiert wird. Im Wicca liegt der Fokus zumeist auf der Interaktion von Gott und Göttin. Die
genauen Geschichten unterscheiden sich aber auch je nach Tradition voneinander. Die Rückbesinnung auf die natürlichen Kreisläufe und auch die Verbindung und Kommunikation zum Göttlichen sind
elementare Bestandteile der Religion. Zudem ist wichtig, dass im Wicca keine Instanz zwischen einen selbst und das Göttliche geschaltet werden muss. Jede/r Wicca kann selbst und eigenmächtig mit
dem Göttlichen kommunizieren und Rituale durchführen. Insofern ist Wicca eine Religion, die im Prinzip ohne organisierte Priesterschaft auskommt. Ebenfalls gibt es keinen niedergeschriebenen
starren Kodex, an den sich alle gleichermaßen halten müssen. Regeln und Glaubenssätze können von Individuen und Gruppen gleichermaßen immer neu ausgehandelt werden.
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