Grundlagen der Chaosmagie
Definition des Chaos
Dinge geschehen außerhalb der Kausalität spontan. Dies wird als Grundstruktur des Universums - Chaos - verstanden. Peter Carroll definiert das Chaos in Liber Null folgendermaßen: “Das "Ding", das für das Entstehen und den weiteren Ablauf der Geschehnisse verantwortlich ist, wird von den Magiern CHAOS genannt. Man könnte es genauso gut "Gott" oder "Tao" nennen, doch der Name CHAOS ist so gut wie bedeutungslos und frei von den kindischen anthropomorphischen Vorstellungen der Religion.” Diese ablehnende Haltung gegenüber Religion und starren Ideologien ist in den Prinzipien der Chaosmagie begründet.
Prinzipien der Chaosmagie
1) Vermeidung von Dogmatismus
Sich einem einzigen System zu unterwerfen bindet Energie. Befreit man sich aber von den Dogmen einer Religion, Philosophie, etc. wird diese Energie frei und kann für die magische Arbeit genutzt werden. Diese Ansicht spiegelt auch das von Nietzsche inspirierte Motto “Nichts ist wahr, alles ist erlaubt!” wider. Moralische Bewertungen der Magie und Zuordnung von Farben werden ebenfalls abgelehnt. Eine Interpretation von weißer Magie besagt, dass es sich dabei um die Aneignung von Wissen handelt, schwarze Magie bezieht sich auf die Aneignung von Macht. Carroll vertritt die Ansicht, dass ein erfolgreicher Magier zu beidem in der Lage sein muss.
2) Eigene Erfahrung geht über alles
Wie auch im Neuheidentum wird der blinde Glaube gegenüber selbsternannten Autoritäten abgelehnt. Chaosmagie ist beliebt, weil sie funktioniert - und zwar für jeden Einzelnen auf seine individuelle Art und Weise. Es herrscht ein pragmatischer Ansatz vor: wenn es funktioniert ist es gut. Dementsprechend verzichten viele chaosmagische Bücher auf umfangreiche Einführungen und theoretischen Unterbau und halten dazu an, sofort in praktische Übungen einzusteigen.
3) Hervorragende Technik
Die Freiheit von Dogmen ist nicht mit einem Mangel an Technik und empirischer Genauigkeit gleichzusetzen. Ganz nach der Methode von Crowley werden die Praktizierenden dazu angehalten, ihre magische Tätigkeit sehr genau zu protokollieren und eine Ergebniskontrolle durchzuführen. Rituale können frei gestaltet werden, dürfen deswegen aber nicht schlampig durchgeführt werden, weil dies das Resultat gefährdet.
4) Dekonditionierung
Chaosmagier versuchen, sich von vorgefertigten Denksystemen und Angewohnheiten zu befreien. Dies gilt einerseits für religiöse oder moralische Fragen und andererseits auch für ganz persönliche Ticks oder Hobbys. Als Übung wird dem Magier empfohlen, über einen bestimmten Zeitraum hinweg vehement eine bestimmte Position hinsichtlich eines Themas zu vertreten, z.B. vegetarische Ernährungsweise. Danach soll er oder sie für die gleiche Zeit die völlig entgegengesetzte Meinung vertreten. Dies trägt dazu bei, sich leichter von Denksystemen zu lösen und kreative Energie freizusetzen.
5) Verschiedene Ansätze
Chaosmagier arbeiten mit verschiedenen Magiemodellen. Das Modell soll so gewählt werden, wie es dem Ziel des Rituals am dienlichsten ist, also die größte Aussicht auf Erfolg hat. Die zugrundeliegenden Ansätze können dabei ebenfalls variieren. Der Magier kann nach dem Heimwerker-Konzept ein eigenes System entwickeln und sich nach Bedarf bei anderen Systemen bedienen. Die Erklärung von Magie mittels wissenschaftlicher Begriffe oder Theorien ist ebenfalls recht beliebt.
6) Gnosis (Veränderter Bewusstseinszustand)
Der Schlüssel zu magischem Erfolg ist die Gnosis, die magische Trance, in der im Ritual Magie gewirkt wird. Es wird in der Chaosmagie grundsätzlich mit zwei Formen von Trance gearbeitet: Erregungstrance (z.B. induziert durch Trommeln) und Dämpfungstrance (z.B. durch Meditation).
Die durch diese Prinzipien erreichte Befreiung von Paradigmen, Ideen, Tabus etc. führt zur Freisetzung von Magie. Carroll gibt aber zu bedenken, dass man Ketten nur durch neue ersetzen kann, ein Paradigma durch ein anderes. Man kann nicht völlig frei sein. Der Erfolg liegt in der Fähigkeit des Wechsels, der Flexibilität und Kreativität begründet.
©kb